VG Berlin PDV 300, Urt. v. 22. Januar 2014, VG 7 K 117.13:

Auszug:

1. Soweit sich der Beklagte für die Polizeidienstuntauglichkeit der Klägerin auf die Ausschlussgründe Nr. 1.2.2 bzw. Nr. 10.4.2 der Anlage 1.1 der PDV 300 n.F. beruft, kann dies eine fehlende Polizeidiensttauglichkeit nicht begründen. Die PDV 300 stellt eine den Begriff der Polizeidiensttauglichkeit konkretisierende Verwaltungsvorschrift dar, mit der die gleichmäßige Anwendung der gesundheitlichen Eignungsvorausset-zungen gewährleistet werden sollte. Durch Erlass und Anwendung der PDV 300 hatte der Dienstherr das ihm in Bezug auf die gesundheitlichen Eignungsvoraussetzungen eingeräumte Ermessen gebunden bzw. den diesbezüglich bestehenden Beurtei-lungsspielraum ausgefüllt, um sicherzustellen, dass die gesundheitliche Eignung der Bewerber nach einheitlichen Maßstäben beurteilt wird. In der Rechtsprechung war dementsprechend anerkannt, dass sich hieraus eine Bindungswirkung für die Gerichte ergab (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Oktober 2012 – OVG 4 M 19.12 –, EA, S. 3f.). Angesichts der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die bezüglich der gesundheitlichen Eignungsvoraussetzungen eine volle Überprüfbarkeit und Überprüfungsverpflichtung durch die Gerichte annimmt, entfällt der diesbezügliche Anwendungsbereich der PDV 300 mit der Folge, dass eine Bindungswirkung für die Gerichte nicht mehr bejaht werden kann.

Die in Anlage 1.1 der PDV 300 aufgelisteten Ausschlussgründe beziehen sich auch auf den Bereich, für den ein Beurteilungsspielraum nicht mehr anzunehmen ist. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht klargestellt, dass der Dienstherr weiterhin einen weiten Einschätzungsspielraum bei der Bestimmung der körperlichen Anforderungen der jeweiligen Laufbahn hat und diese die Grundlage bilden sollen, auf der sodann – ohne verbleibenden Beurteilungsspielraum – festzustellen ist, ob ein Bewerber, dessen Leistungsfähigkeit gemindert ist, diesen Anforderungen genügt (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 – BVerwG 2 C 12.11 -, a.a.O., Rn. 12, 27). Bei den Ausschlusskriterien für die Polizeidiensttauglichkeit (vgl. Ziffer 2.3.3 der PDV 300), auf deren Merkmalsnummern 10.4.2 bzw. 1.2.2 n.F. sich der Beklagte beruft, handelt es sich jedoch um gesundheitliche Eignungsvoraussetzungen zur Erfüllung der vorher festgelegten körperlichen Anforderungen und damit um voll überprüfbare Voraussetzungen. Denn die aufgelisteten Merkmalsnummern bezeichnen Gesundheitsbeeinträchtigungen bzw. körperliche Zustände, bei deren Vorliegen der Dienstherr vor dem Hintergrund der aufgegebenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entweder von aktueller Dienstunfähigkeit ausgegangen ist oder prognostiziert hat, dass künftig gehäufte Erkrankungen oder Leistungsschwächen wie auch vorzeitige Dienstunfähigkeit nicht mit einem hohen Wahrscheinlichkeitsgrad ausgeschlossen werden konnten (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 3. Juni 2004 – BVerwG 2 B 52.03 -, juris Rn. 5). Es handelt sich damit um gesundheitliche Gründe, warum ein Bewerber den zuvor an anderer Stelle festgelegten bzw. vorausgesetzten körperlichen Anforderungen des Dienstes nicht gewachsen sein soll. Eine Auflistung der körperlichen Anforderungen für den Polizeivollzugsdienst findet sich dagegen nur ansatzweise („insbesondere“) unter Ziffer 1.2 PDV 300, der die Verwendung im Außendienst und (Wechsel-) Schichtdienst, den körperlichen Einsatz gegen Personen, die Anwendung unmittelbaren Zwangs und den Gebrauch von Waffen nennt.