BVerwG, Vorteilsannahme, Urt. v. 23.11.2006, 1 D 1/06

BVerwG, Vorteilsannahme, Urt. v. 23.11.2006, 1 D 1/06

Die Bemessung der Disziplinarmaßnahme hat sich daran zu orientieren, dass es sich bei Verstößen gegen § 70 Satz 1, § 54 Satz 2 BDG seit jeher grundsätzlich um sehr schwerwiegende Pflichtverletzungen handelt. Denn die uneigennützige, auf keinen privaten Vorteil bedachte Führung der Dienstgeschäfte stellt eine wesentliche Grundlage des Berufsbeamtentums dar. Daher ist es Zweck der Vorschriften, bereits den Anschein zu vermeiden, ein Beamter könne sich bei Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben aus Eigennutz durch sachwidrige Erwägungen beeinflussen lassen und für Amtshandlungen allgemein käuflich sein. Einen solchen Eindruck erweckt ein Beamter, der in Bezug auf seine dienstliche Tätigkeit Vorteile annimmt, auch dann, wenn er hierfür nicht pflichtwidrig handelt. Dies kann im Interesse einer gesetzmäßigen Verwaltung und im Interesse des allgemeinen Vertrauens in ein rechtsstaatliches Handeln der Verwaltung nicht hingenommen werden (…). Der hohe Stellenwert, den der Gesetzgeber dem Verbot der Vorteilsannahme für die Dienstausübung beigemessen hat, wird durch den Straftatbestand des § 331 Abs. 1 StGB i.d.F. des Korruptionsbekämpfungsgesetzes vom 13. August 1997 (BGBl I S. 2038) verdeutlicht. Die Annahme eines Vorteils steht auch dann unter Strafe, wenn der Vorteilsgeber keine bestimmte Amtshandlung erkaufen, sondern den Beamten wohlwollend stimmen will (BTDrucks 13/8079 S. 15).

Aufgrund dessen ist bei einem Verstoß gegen § 70 Satz 1,  § 54 Satz 2 BBG die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bzw. die Aberkennung des Ruhegehalts jedenfalls dann Richtschnur für die Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme, wenn der Beamte erhebliche Geldzuwendungen erhalten hat. Dies gilt auch, wenn der Beamte keine pflichtwidrigen Amtshandlungen als Gegenleistung erbracht hat. Denn die Annahme von Geldzuwendungen offenbart ein besonders hohes Maß an Pflichtvergessenheit, weil jedem Beamten klar sein muss, dass er durch ein solches Verhalten die Grenze der Sozialadäquanz eindeutig überschreitet und den Anschein der Käuflichkeit erweckt (Urteile vom 24. Juni 1998 a.a.O., vom 20. Februar 2002 a.a.O. und vom 8. Juni 2005 a.a.O. Rn. 21). Geht es um höhere Beträge, so kann es in Zeiten des bargeldlosen Zahlungsverkehrs keinen Unterschied machen, ob dem Beamten das Geld bar ausgehändigt oder auf ein von ihm angegebenes Konto überwiesen wird. Entscheidend ist, dass der Beamte über das Geld nach seinen Vorstellungen verfügen kann. Die von der Schwere des Pflichtenverstoßes ausgehende Indizwirkung kann nur entfallen, wenn mildernde Umstände von erheblichem Gewicht vorliegen, sodass eine fallbezogene Gesamtbetrachtung den Schluss rechtfertigt, es sei noch kein endgültiger Vertrauensverlust eingetreten. Bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte für mildernde Umstände, so erweist sich die Entfernung aus dem Dienst bzw. die Aberkennung des Ruhegehalts als geeignet und erforderlich, um den Zwecken des Disziplinarrechts Geltung zu verschaffen, sowie als verhältnismäßig im engeren Sinne (Urteile vom 24. Juni 1998 a.a.O.; vom 20. Februar 2002 a.a.O. und vom 8. Juni 2005 a.a.O. Rn. 21, vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss v. 19. Februar 2003, 2 BvR 1413.01.