Wie berichtet, hatte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) am 30.10.2014 in mehreren Pilot-Verfahren zur „Altersdiskriminierung bei der Besoldung“ entschieden und erkannt, dass die an das Lebensalter anknüpfende Besoldung der Beamten und Soldaten gegen Europarecht verstoßen hat und den Beamten wegen dieses Verstoßes ggf. Entschädigungsansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) zustehen. Danach erhalten diejenigen (wenigen) Beamten eine Entschädigung in Höhe von 100 EUR / Monat, die ihre Ansprüche bis spätestens zum 8.11.2011 schriftlich gegenüber ihrem Dienstherrn geltend gemacht haben. Unsere gegen diese Fristbestimmung gerichteten Verfassungsbeschwerden wurden vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen. Seitdem werden die bundesweit zahlreich anhängigen Klagen zurückgenommen oder unter Hinweis auf die Entscheidungen des BVerwG abgewiesen, soweit die Geltendmachung erst nach dem 8.11.2011 erfolgte. Auch die Behörden sind inzwischen dazu übergegangen, die bislang zurückgestellten Anträge bzw. Widersprüche „abzuarbeiten“.
Die Entscheidung des OVG Saarlouis überrascht insoweit nicht, als dass die bisherigen Ausführungen des BVerwG zum Fristbeginn nach § 15 Abs. 4 AGG denkbar knapp ausgefallen sind und diese Fristbestimmung faktisch kaum einzuhalten war. Wir sehen uns daher durch das Urteil des OVG Saarlouis in unserer Kritik an der Rechtsprechung des BVerwG durchaus bestätigt. Gleichwohl sehen wir aber keine Chance, dass sich die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ändern könnte. Dieses hatte zunächst mit Urteil vom 30.10.2014 entschieden nachfolgend nochmals mit Urteil vom 20.5.2015, wo es die Fristbestimmung bestätigt hat. Das BVerwG wird ohne eine seitdem eingetretene Änderung der Sach- und Rechtslage seine bestätigte Rspr. nicht aufgeben und sich damit dem Vorwurf der Beliebigkeit aussetzen. Die Richter hatten in der mündlichen Verhandlung am 30.10.2014 (wo wir mit 4 der 8 entschiedenen Verfahren vertreten waren) auch zu erkennen gegeben, dass ihnen die Reichweite der Entscheidung klar vor Augen war. Man beabsichtige – so einleitend der Vorsitzende des 2. Senats sinngemäß – eine Entscheidung zu treffen, welche es den Behörden und Gerichten ermögliche, die dort zahlreich anhängigen Widerspruchs- und Klageverfahren möglichst unbürokratisch zum Abschluss zu bringen. Ebendies geschieht seit Mitte des Jahres – hauptsächlich durch Rücknahme der Rechtsmittel oder Abweisung der Klagen; selten (bei tatsächliche erfolgter Wahrung der kurzen Frist) durch Zahlung einer Entschädigung. Eine Kehrtwende wird es hier also nicht geben.
In rechtlicher Hinsicht kann sich das BVerwG im Übrigen auf die Ausführungen des EuGH in der Rechtssache „Specht“ stützen. Der EuGH hatte dort auf gezielte Nachfrage des Verwaltungsgerichtes Berlin ausgeführt, dass ab Verkündung des Urteils in der Rechtssache „Hennigs und Mai“ am 8.9.2011 die Voraussetzungen eines sog. unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs vorliegen würden (Randziffer 102 ff des Urteils), also die Regelungen des alten Besoldungsrechts spätestens ab dem 8.9.2011 für den deutschen Gesetzgeber erkennbar unionsrechtswidrig waren. Zu der Frage, ob damit zugleich auch den Beamten die Rechtslage hinreichend verdeutlicht wurde, hat der EuGH zwar nichts gesagt. Hiervon geht aber das BVerwG aus. Für eine solche Signalwirkung der Rechtssache Hennigs/Mai spricht auch die im Dezember 2011 einsetzende Antragsflut. Das eigentliche Problem liegt darin, dass das BVerwG den Entschädigungsanspruch allein aus dem AGG herleitet und hinsichtlich des Beginns der dort normierten 2-Monats-Ftist nach § 15 Abs. 4 AGG dann auf den Zeitpunkt der Verkündung des EuGH-Urteils vom 8.9.2011 abstellt. Hier hätte unseres Erachtens ein späterer Zeitpunkt gewählt werden müssen, etwa der der Veröffentlichung der Entscheidung in einer großen juristischen Fachzeitschrift oder man hätte eine gewisse Latenzzeit berücksichtigen müssen, die es den Beamten ermöglicht hätte, dass Urteil vom 8.9.2011 zur Kenntnis zu nehmen und in seiner rechtlichen Tragweite zu erschließen.
Das aber hat das Bundesverwaltungsgericht nicht berücksichtigt. Nachdem es aber mehrfach entscheiden hat, wird es sich auch durch das Urteil des OVG Saarlouis nicht veranlasst sehen, seine bisherige Rechtsprechung zu ändern. Eine Kehrtwende wird es also nicht geben. Der Baum liegt.