Zeitnahe Geltendmachung
Macht der Beamte eine verfassungswidrige Unteralimentation geltend und erkennt das Bundesverfassungsgericht dies als gegeben an und verfügt eine rückwirkende Korrektur, dann stehen dem Beamten rückwirkend nur Ansprüche zu, die er zum einen zeitnah geltend gemacht hat, und die zum anderen noch nicht verjährt sind.
Mit einer zeitnahen Geltendmachung sichert sich der Beamte die Ansprüche ab dem Jahr, in dem diese Geltendmachung erfolgt. Wichtig ist, dass er dabei auch deutlich macht, dass sich der Widerspruch oder die Geltendmachung nicht nur auf das aktuelle Jahr, sondern auch auf Folgejahre erstreckt.
Insoweit hat das OVG Berlin-Brandenburg aber in einer aktuellen Entscheidung erkannt, dass auch bei erhobener Klage ab dem Jahr 2020 eine neuerliche Rüge gegenüber dem Dienstherrn erforderlich war (Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. November 2025 – OVG 4 B 4/24). Ein solcher „Besoldungswiderspruch“ wirke zwar für das jeweilige Jahr und u.U. auch für spätere Jahre. Wie das Bundesverwaltungsgericht bereits im Jahr 2011 entschieden habe, müssten Beamte den Widerspruch allerdings dann erneuern, wenn es zu gesetzgeberischen Aktivitäten gekommen sei, die das Alimentationsdefizit korrigieren sollen.
Demnach auf das Gesetz zur Anpassung der Besoldung und Versorgung für das Land Berlin 2019/2020 und zur Änderung weiterer besoldungsrechtlicher Vorschriften (BerlBVAnpG 2019/2020) – GVBl. 2019, 551 – vom 5. September 2019 mit einem erneuten Widerspruch reagiert werden müssen, denn damit seien u.a. die Gehälter zum 1. April 2019 und erneut zum 1. Februar 2020 um jeweils 4,3 Prozent erhöht worden und dies ausdrücklich zu dem im Gesetz genannten Zweck, „den Besoldungsdurchschnitt der übrigen Bundesländer bis zum Jahr 2021 zu erreichen“.
Kritik: Das nicht rechtskräftige Urteil ist aus unserer Sicht nicht zutreffend. Das Oberverwaltungsgericht hat bereits nicht zwischen nur außergerichtlichen Besoldungswidersprüchen und solchen bei bereits erhobener Klage differenziert, es hat dies gar nicht thematisiert. Seine Hinweise auf die Rspr. des Bundesverwaltungsgerichts (etwa auch zuletzt auf BVerwG, Urteil vom 21. Februar 2019 – 2 C 50/16 –, juris) betreffen Verfahren, bei denen außergerichtliche Geltendmachungen nicht hinreichend erfolgt waren. Dass und warum dies auch bei zukunftsoffen erhobenen Klagen der Fall sein soll, legt das OVG nicht dar. Auch bei der Prüfung eines Vertrauensschutzes nimmt es Bezug auf ein Urteil des BVerwG, welches einen Fall betraf, bei dem es um vor erhobener Klage außergerichtlich nicht wiederholte zeitnahe Gelendmachungen ging (Urteil des BVerwG, vom 28. Juni 2011 – 2 C 40.10 – juris Rn. 10).
Das Oberverwaltungsgericht hat formuliert (Rn. 20): „Ein womöglich mehrjährig wirkender Besoldungswiderspruch erledigt sich mit der (nach den aufgezeigten Maßstäben relevanten) neuen Gesetzgebung. Es hätte für das gesamte Haushaltsjahr erneut ein Besoldungswiderspruch eingelegt werden müssen, wenn kein Rechtsverlust eintreten soll.“
Ob und weshalb selbiges aber bei einer zukunftsoffen erhobenen Klage gelten soll, die sich verfahrensrechtlich nicht von selbst erledigt, wenn neue Regelungen erlassen werden, hat das OVG nicht dargelegt.
Das BVerwG hat etwa mit Urteil vom 13. November 2008 – 2 C 16/07 –, juris) bezogen auf Ansprüche aus einer Vollstreckungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts insoweit erkannt:
„Solche Ansprüche lassen sich nicht wie bei einem Besoldungsgesetz nach Zeiträumen und Höhe aus der Vollstreckungsanordnung entnehmen, sondern setzen die Klärung voraus, ob weiterhin die gesetzlich vorgesehene Besoldung hinter der verfassungsrechtlich gebotenen Alimentation zurückbleibt. (…). Die Fachgerichte haben jeweils zunächst zu prüfen, ob die gesetzgeberischen Aktivitäten bezogen auf die verschiedenen Anspruchszeiträume den Verfassungsverstoß beendet haben. Das erfordert eine Auseinandersetzung mit den seit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. November 1998 ergriffenen Maßnahmen des Gesetzgebers, der für sich stets in Anspruch genommen hat, durch die Erhöhung des Kindergeldes, die steuerliche Entlastung von Familien und insbesondere die Erhöhung der kindbezogenen Besoldungsbestandteile bereits eine der Verfassung entsprechende Alimentation herbeigeführt zu haben. Erst wenn die Fachgerichte für bestimmte Zeiträume, bestimmte Besoldungsgruppen und eine bestimmte Kinderzahl des Beamten eine Fortdauer des Verfassungsverstoßes feststellen, können Einzelansprüche zugesprochen werden.“
Daraus lässt sich folgern, dass mit einer Feststellungsklage gerade die Prüfung der Fachgerichte bzgl. der Angemessenheit der Besoldung und insbesondere der Frage gerichtshängig gemacht wird, ob die gesetzgeberischen Aktivitäten einen Verfassungsverstoß beendet haben. Damit lässt sich aber die Forderung nach erneuernden Rügen während eines laufenden Klageverfahrens nicht halten. Die maßgebliche Frage ist mit der Klage gerade zur gerichtlichen Überprüfung gestellt und rechtshängig.
Eine erneute Rügeobliegenheit erscheint demnach bei erhobener Klage nicht nachvollziehbar. Diese würde bedeuten, dass bei einer einmal erhobenen laufenden Feststellungsklage, die zudem vom Verwaltungsgericht rglm. bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausgesetzt wird, der jeweilige Kläger laufend bei „gesetzgeberischen Aktivitäten“ seine Klage immer wieder bestärken müsste und sich immer wieder – außergerichtlich oder gerichtlich – zur Fortdauer seines Begehrens erklären müsste. Das erscheint in einem laufenden Klageverfahren aber nicht nachvollziehbar.
Ergibt die gerichtliche Überprüfung im Rahmen des Klageverfahrens, dass die Besoldung ab einem bestimmten Zeitpunkt verfassungsgemäß war, wird der jeweilige Kläger (teilweise) unterliegen. Hält das Gericht eine zwischenzeitliche Besoldungsanpassung (etwa durch ein Reparaturgesetz) für hinreichend, kann es eine Erledigungserklärung anregen. Durch die (aufrechterhaltene) Klage und den unbeschränkten Antrag ist aber das Klageziel vorgegeben und der Dienstherr ist damit auch hinreichend darüber informiert, dass mit der aufrechterhaltenen Klage weiterhin Ansprüche geltend gemacht werden. Eine fortlaufende Pflicht eines Klägers, die Fortdauer seiner Klage durch immer neue ergänzende Prozesserklärungen oder gar außergerichtliche Geltendmachungen zum bereits rechtshängigen Klagegegenstand „aufzufrischen“, dies gar mit der Folge eines Rechtsverlustes, erscheint bei erhobenen und anhängigen Klageverfahren nicht nachvollziehbar.
So hatte es auch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg selbst noch mit Beschluss vom 11. Oktober 2017 (OVG 4 B 33.12) gesehen:
„Die Klägerin hat ihren Anspruch zeitnah geltend gemacht (…). Diesem Erfordernis entsprach sie bezogen auf alle hier maßgeblichen Besoldungsjahre, indem sie mit Schreiben vom 14. April 2009 die Defizite ihrer Alimentation gegenüber dem Beklagten gerügt hat; mit ihrer am 29. Juni 2009 erhobenen Klage hat sie überdies deutlich gemacht, dass sie ihr Nettoeinkommen seit dem 1. Januar 2009 als verfassungswidrig zu niedrig bemessen erachte. Die Klägerin war jedenfalls nicht dazu verpflichtet, ihren Anspruch auf Gewährung einer amtsangemessenen Alimentation in jedem Haushaltsjahr erneut geltend zu machen. Ein einmal erkennbar in die Zukunft gerichteter Antrag auf erhöhte Besoldung genügt grundsätzlich über das laufende Haushaltsjahr hinaus den Anforderungen an eine zeitnahe Geltendmachung auch für die folgenden Jahre (…).“
Nunmehr unterscheidet das OVG in dem neuen Urteil aber zwischen Grundsatz und Ausnahme. Die gesetzgeberischen Aktivitäten des Landes mit dem BerlBVAnpG 2019/2020 sollen Anlass geboten haben, erneut eine (aus der Treuepflicht des Beamten hergeleitete) zeitnahe Geltendmachung anbringen zu müssen.
Zu den gesetzgeberischen Aktivitäten des Landes Berlin hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss v. 19.09.2025 angemerkt:
„Erschwerend kommt hinzu, dass der Gesetzgeber des Landes Berlin auf den Beschluss des Senats vom 4. Mai 2020 (BVerfGE 155, 1) nur bezüglich der Richterbesoldung reagiert (…), die aus den schon damals bekannten Gründen ebenfalls naheliegende Revision auch der Beamtenbesoldung jedoch nicht vorgenommen hat. Die Begründung, der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur A-Besoldung nicht vorgreifen zu wollen (vgl. Abghs.-Drucks. 19/17836, S. 1 f.), überzeugt nicht. Denn die dort entwickelten Maßstäbe waren ohne Weiteres subsumtionsfähig. Vielmehr bestätigt sich der Eindruck, dass das Land Berlin die Besoldung sehenden Auges hinter die von ihm ausgehandelten Tariflöhne hat zurückfallen lassen (ebenso bereits BVerfGE 155, 1 <74 f. Rn. 179>).“
Dann aber bleibt zu fragen ob die Treuepflicht des Beamten es tatsächlich gebietet, gegenüber dem derart säumigen Land Berlin wegen einer bloßen Besoldungsanpassung mit dem Ziel, nach jahrelanger Untätigkeit sich wenigstens dem Besoldungsdurchschnitt der anderen Länder anzunähern (nicht etwa eine verfassungsgemäße Besoldung zu schaffen), es tatsächlich rechtfertigen soll, eine erneute Geltendmachung im Jahr 2019 oder 2020 einzufordern und bei Unterbleiben derselben einen Anspruchsverlust anzunehmen.