Archiv der Kategorie: Beamtenrecht

Dienstzeiten vor Vollendung des 17. Lebensjahres ruhegehaltsfähig

Die Senatsverwaltung für Inneres und Sport hat in einem Rechtsstreit das Landesverwaltungsamt angewiesen, bei dem betroffenen Beamten Dienstzeiten im Beamtenverhältnis vor Vollendung des 17. Lebensjahres entgegen der noch bestehenden gesetzlichen Regelung in § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Landesbeamtenversorgungsgesetz (LBeamtVG) als ruhegehaltfähig anzuerkennen. Damit zieht das Land Berlin die Konsequenz aus einem als richtig erkannten Urteil des Verwaltungsgericht Bremen vom 17. Februar 2014 – 2 K1907/10. Hintergrund ist, dass die geltende Regelung als altersdiskriminierend anzusehen ist.

EuGH: Altersdiskriminierung bei Besoldung deutscher Beamter

Der EuGH entscheidet über die Frage der Altersdiskriminierung bei der Besoldung der deutschen Beamten. 

Der EuGH hat entschieden: Das Urteil finden Sie im Volltext unter der Rubrik Rspr. (rechte Navigationsleiste) an erster Stelle.

Der Europäische Gerichtshof hat die deutsche Übergangsregelung zur Einstufung von Beamten entgegen dem Votum der Kommission und des Generalanwaltes grundsätzlich gebilligt. Auch wenn die in Berlin angewendete Übergangsregelung auf früherer Altersdiskriminierung beruhe, sei sie nicht rechtswidrig. Damit sind Ansprüche aus der Zeit nach der Umstellung der Besoldungssysteme auf Erfahrungsstufen nicht gegeben. EuGH: Altersdiskriminierung bei Besoldung deutscher Beamter weiterlesen

Anforderungen an die Untersuchungsanordnung (Amtsarzt)

Vorab: Der Rechtsschutz  gegen eine rechtswidirge Aufforderung ist durch die neue Rspr. des BVerwG  weitgehend abgeschafft worden, ob die  Instanzgerichte dem  für das Landesrecht folgen, bleibt abzuwarten.  Die nachfolgend skizzierte  Rspr. könnte überholt sein.

Hier ist zu unterscheiden zwischen einer Untersuchungsanordnung im Zusammenhang mit einem (beabsichtigten) Zurruhesetzungsverfahren (Untersuchungsanordnung gem. §39 Abs. 1 S. 2 LBG) und einer solchen aus anderem Anlass zur Prüfung der aktuellen Dienst(un)fähigkeit (Rechtsgrundlage: §59 Abs. 1 Satz 3 LBG). Zu letzterem hat das OVG BB mit Beschluss v. 21. Oktober 2015 Grundsätze formuliert (OVG 4 S 32.15). Näheres dazu finden Sie hier.

Verfahrensrechtlich hat sich die Qualifikation der Untersuchungsanordnung in der Rechtsprechung geändert: Die Untersuchungsanordnung ist kein Verwaltungsakt. Das OVG Berlin-Brandenburg  folgt damit in seinem Beschl. v. 10. Juni 2015 ( OVG 4 S 6.15)  der Rspr. des BVerwG (Urteil vom 30. Mai 2013 – 2 C 68/11, Rz. 16).

Inhaltlich hat sich dadurch an den Voraussetzungen für eine Untersuchungsanordnung gem. § 39 Abs. 1 S. 2 LBG (Zurruhesetzungsverfahren) nichts geändert. Danach ist der Beamte verpflichtet ist, sich nach Weisung der Dienstbehörde durch einen von dieser bestimmten Arzt (also auch Amtsarzt) untersuchen zu lassen, wenn Zweifel an seiner Dienstfähigkeit bestehen und dies für erforderlich gehalten wird. Einer solchen Aufforderung müssen erstens tatsächliche Feststellungen zugrunde liegen, die die Dienstunfähigkeit des Beamten als naheliegend erscheinen lassen. Die Feststellungen müssen sich auf solche Umstände beziehen, die bei vernünftiger lebensnaher Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründen, der betroffene Beamte sei dienstunfähig.

Die Behörde muss diese tatsächlichen Umstände in der Untersuchungsaufforderung angeben, um den Beamten in die Lage zu versetzen, anhand der Begründung die Auffassung der Behörde nachzuvollziehen und prüfen zu können, ob die angeführten Gründe tragfähig sind (insoweit BVerwG, Urteil vom 26. April 2012 – 2 C 17.10). Er muss erkennen können, welcher Vorfall oder welches Ereignis zur Begründung der Aufforderung herangezogen wird. Die Behörde darf insbesondere nicht nach der Überlegung vorgehen, der Adressat werde schon wissen, „worum es geht“. Ein etwaiger Mangel dieser Aufforderung kann nicht im weiteren behördlichen oder gerichtlichen Verfahren durch Ergänzung der Begründung geheilt werden, es bedarf vielmehr ggf. einer neuen Aufforderung mit geänderter Begründung (BVerwG aaO.).

Die Untersuchungsanordnung muss – zweitens – Angaben über Art und Umfang der ärztlichen Untersuchung enthalten. Die Behörde darf dies nicht dem Belieben des Arztes überlassen. Dies gilt insbesondere, wenn zu erwarten ist, dass sich der Beamte (auch) einer fachpsychiatrischen Untersuchung unterziehen soll. Erhebungen des Psychiaters zum Lebenslauf des Beamten, wie etwa Kindheit, Ausbildung, besondere Krankheiten, und zum konkreten Verhalten auf dem Dienstposten stehen dem Bereich privater Lebensgestaltung noch näher als die rein medizinischen Feststellungen, die bei der angeordneten Untersuchung zu erheben sind. Nur wenn in der Aufforderung selbst Art und Umfang der geforderten ärztlichen Untersuchung nachvollziehbar sind, kann der Betroffene nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ihre Rechtmäßigkeit überprüfen. Dem entsprechend muss sich der Dienstherr bereits im Vorfeld des Erlasses nach entsprechender sachkundiger ärztlicher Beratung zumindest in den Grundzügen darüber klar werden, in welcher Hinsicht Zweifel am körperlichen Zustand oder der Gesundheit des Beamten bestehen und welche ärztlichen Untersuchungen nur endgültigen Klärung geboten sind (insoweit: OVG, Beschl. v. 17. Juni 2014, OVG 4 S 13.14, Volltext: Amtsarztvorstellung OVG BB).

Was sich durch die neue Rspr. (kein Verwaltungsakt) allerdings ändert, sind das Verfahren und die damit verbundenen Konsequenzen. Das BVerwG:

„Befolgt ein Beamter eine Anordnung zu einer fachpsychiatrischen Untersuchung, so muss er Eingriffe in sein Recht aus Art. 2 Abs. 2 GG wie auch in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht hinnehmen. Die Erhebungen des Psychiaters zum Lebenslauf des Beamten, wie etwa Kindheit, Ausbildung, besondere Krankheiten, und zum konkreten Verhalten auf dem Dienstposten stehen dem Bereich privater Lebensgestaltung noch näher als die rein medizinischen Feststellungen, die bei der angeordneten Untersuchung zu erheben sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Juni 1993 – 1 BvR 689/92 – BVerfGE 89, 69 <82 ff.>).

Weiterhin trägt der Beamte das alleinige Risiko der späteren gerichtlichen Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Anordnung. Hat der Beamte die Untersuchung verweigert, weil er die Anordnung als rechtswidrig angesehen hat, geht es bei der Würdigung aller Umstände nach dem Rechtsgedanken des § 444 ZPO regelmäßig zu seinen Lasten, wenn das Gericht nachträglich die Rechtmäßigkeit der Anordnung feststellt. Unterzieht sich der betroffene Beamte demgegenüber der angeordneten Untersuchung, so kann das Gutachten auch dann verwendet werden, wenn sich die Aufforderung als solche bei einer gerichtlichen Prüfung als nicht berechtigt erweisen sollte. Die Rechtswidrigkeit der Gutachtensanordnung ist nach Erstellung des Gutachtens ohne Bedeutung (vgl. zum Fahrerlaubnisrecht, Urteile vom 5. Juli 2001 – BVerwG 3 C 13.01 – Buchholz 442.16 § 15b StVZO Nr. 29 S. 3 ff. und vom 9. Juni 2005 –BVerwG 3 C 21.04 – Buchholz 442.10 § 2 StVG Nr. 11; stRspr).“

Diese Rspr. hat das BVerwG: Urteil vom 30. Mai 2013, (a.a.O. Rn. 11) weiterentwickelt:

  1. Die Rechtmäßigkeit einer vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand wegen der Weigerung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen setzt die Rechtmäßigkeit der Aufforderung voraus. Die Aufforderung unterliegt im Rahmen der Anfechtungsklage gegen die Zurruhesetzungsverfügung der vollen gerichtlichen Nachprüfung.
  2. Die Untersuchungsaufforderung muss sich auf solche Umstände beziehen, die bei vernünftiger, lebensnaher Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründen, der betroffene Beamte sei dienstunfähig (im Anschluss an das Urteil vom 26. April 2012 –BVerwG 2 C 17.10.
  3. Die Pflicht zur Suche nach der Möglichkeit für eine anderweitige Verwendung eines dienstunfähigen Beamten gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Dienstunfähigkeit aus der Verweigerung einer ärztlichen Begutachtung geschlossen wird.

Künftig werden wir also gegen rechtswidrige Untersuchungsanordnungen mit dem Rechtsbehelf des Antrags auf einstweilige Anordnung vorgehen. Ein Widerspruch gegen eine solche Anordnung hat für sich genommen keine aufschiebende Wirkung.

Arbeitsrechtlich ist das Urteil des LAG Berlin-Brandenburg v. 24.08.2012 (6 Sa 568/12) informativ.

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Zurruhesetzung: „Rehabilitation vor Versorgung“

Zurruhesetzung: „Rehabilitation vor Versorgung

Durch die Neufassungen der maßgeblichen beamtenrechtlichen Rechtsgrundlagen Ende 2018 hat sich die bisherige Rechtslage zur Zurruhesetzung aus gesundheitlichen Gründen verändert.

Insbesondere bei den Polizeivollzugsbeamten erfordert die neue Fassung des § 105 LBG nicht mehr wie bisher, dass eine Verwendung funktionsbezogen dienstfähiger Polizeivollzugskräfte in Funktionen des Polizeivollzugsdienstes aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich ist.

Wie sich die Rspr. dazu im Einzelfall verhalten wird, bleibt abzuwarten, denn § 26 BeamtStG gilt unverändert weiter. Dort heißt es: In den Ruhestand wird nicht versetzt, wer anderweitig verwendbar ist. Und: Eine anderweitige Verwendung möglich, wenn der Beamtin oder dem Beamten ein anderes Amt derselben oder einer anderen Laufbahn übertragen werden kann.

Bisherige Rspr. zu den Vollzugsbeamten:

Das Verwaltungsgericht Berlin hat die bisherige Rechtslage mit Urteil vom 18.01.2011 (VG 5 K 277.09) hinsichtlich der Versetzung eines Polizeivollzugsbeamten in den Ruhestand wie folgt formuliert:

Von der Versetzung in den Ruhestand soll gemäß § 26 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 des Beamtenstatusgesetzes abgesehen werden, wenn eine anderweitige Verwendung möglich ist; eine anderweitige Verwendung ist möglich, wenn dem Beamten ein anderes Amt derselben oder einer anderen Laufbahn übertragen werden kann. Die hierzu wiederum für Polizeivollzugskräfte ergangene spezielle Regelung in § 105 Abs. 2 des Landesbeamtengesetzes sieht neben weiteren (§ 105 Abs. 2 Nr. 2 und 3) vor, dass der Beamte bei Polizeidienstunfähigkeit in ein Amt einer anderen Laufbahn versetzt werden soll, wenn die gesundheitliche Eignung für eine Verwendung in Funktionen des Vollzugsdienstes, die die besonderen gesundheitlichen Anforderungen auf Dauer nicht mehr erfordern (funktionsbezogene Dienstfähigkeit), nicht gegeben oder eine Verwendung funktionsbezogen dienstfähiger Polizeivollzugskräfte in Funktionen des Polizeivollzugsdienstes aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich ist (§ 105 Abs. 2 Nr. 1 der Norm)“.

Der Dienstherr musste also nach bisherigem Recht einen vollzugsunfähigen Vollzugsbeamten im aktiven Dienst belassen, wenn dieser zu einer funktionsbezogenen Dienstausübung in der Lage war, und nicht zwingende dienstliche Gründe entgegenstanden. Dies konnte durch vollzugsfremde Verwendung im Vollzugsdienst oder durch Versetzung in eine andere Laufbahn erfolgen.

Auch die Besonderheiten des sog. „Berliner Modells“ rechtfertigten eine Zurruhesetzung nicht. Das Verwaltungsgericht Berlin hat mit Beschluss vom 22. Februar 2012 (VG 26 L 8.12) hierzu ausgeführt:

Der Antragsgegner hat nicht dargelegt, dass ein weiterer Einsatz des Antragstellers auf seinem zuletzt innegehabten Dienstposten nicht mehr möglich ist. Dem stehen auch nicht die behördlichen Vorgaben in Ziffer 5.1.2 der GA PPr Stab Nr. 9 / 2010 über den Täglichen Dienst der Abschnitte im Berliner Modell vom 31. August 2010 entgegen. Danach besetzen die Sachbearbeiter im Einsatzdienst einer Dienstgruppe die Basisdienste und versehen disponierbare Dienste. Die Ausübung aller nach Ziffern 5.1.2.1 (Basisdienste) und 5.1.2.2 (Disponierbare Dienste) wahrzunehmenden Aufgaben setzt regelmäßig das Vorliegen einer uneingeschränkten Polizeidienstfähigkeit der Vollzugskräfte voraus. Die Zulässigkeit solcher Vorgaben schließt eine dauerhafte Verwendung funktionsbezogen dienstfähiger Vollzugskräfte – bis zur dargestellten Grenze der Beeinträchtigung der sachgemäßen und reibungslosen Erfüllung dienstlicher Aufgaben – nicht aus.“

Nach dieser deutlich günstigeren Rechtslage stand dem Dienstherrn nicht mehr – wie zuvor – ein weites Organisationsermessen bei der Einschätzung der Frage zu, ob modifiziert (nach neuer Terminologie: funktionsbezogen) polizeidienstfähige Beamte innerhalb des Vollzugsdienstes weiterverwendet werden sollen. Vielmehr erfordere das Vorliegen von eingeschränkter Polizeidienstfähigkeit (Funktionsdienstfähigkeit) eine eingehende Prüfung, ob ein dem Gesundheitszustand des Beamten entsprechender „leidensgerechter“ Dienstposten vorhanden ist. Im Zweifel war der Dienstherr nach Auffassung etwa der 7. Kammer des Verwaltungsgerichts sogar verpflichtet, einen solchen leidensgerechten Dienstposten freizumachen, damit dem Beamten eine amtsangemessene Beschäftigung ermöglicht würde.

Die  neue Fassung des LBG dreht die gesetzliche Regelung ein Stück weit zurück, wobei der in § 26 BeamtStG verankerte Grundsatz der Rehabilitation vor Zurruhesetzung nicht angetastet wird. Die Entscheidungmöglichkeit über ein Verbleiben in der Vollzugslaufbahn bei funktionsgerechter Verwendung wird aber zugunsten der Dienstbehörde deutlich erweitert.

Der Polizeipräsident in Berlin hat auf diese neue Gesetzeslage mit internen Umlauf-Vermerken reagiert. Es bestehe keine Pflicht mehr zur Freimachung oder Einrichtung geeigneter Dienstposten für sog. modifiziert polizeivollzugsdienstfähige Dienstkräfte. Bei der Feststellung einer solchen funktionsbezogenen Dienstfähigkeit durch den Polizeiärztlichen Dienst erfolge zunächst die Prüfung der Weiterverwendung in der Organisationseinheit. Dabei solle auch eine ggf. besoldungsniedrigere Funktion in den Blick genommen werden (§ 26 Abs. 3 BBesG).

Sofern in dem dortigen Zuständigkeitsbereich keine passende Verwendungsmöglichkeit gefunden werden sollte, erfolgt eine behördenweite Prüfung einer dem polizeiärztlichen Gutachten entsprechenden Verwendung. Verläuft auch diese Prüfung negativ, ist bei Vorliegen von Dienstfähigkeit und Umschulungseignung, die ebenfalls durch den polizeiärztlichen Dienst festzustellen ist, die Möglichkeit eines Laufbahnfachrichtungswechsels in die Laufbahn der allgemeinen Verwaltung zunächst innerhalb der Behörde, ggf. auch landesweit zu prüfen. Bei negativer Umschulungsprüfung erfolgt die Versetzung in den Ruhestand.

Demnach wird in der Zukunft das behördliche Handeln insbesondere bei Durchführung der sog. Suchanfrage genau zu prüfen sein und es kann einer Umschulung oder gar Zurruhesetzung ggf. unter diesem Aspekt entgegen getreten werden.

Beamte auf Probe:

Nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz v. 25.10.2013 (2 A 11330/11) kann selbst die Entlassung eines Probebeamten wegen fehlender gesundheitlicher Eignung nur dann rechtmäßig erfolgen, wenn der Dienstherr zuvor die Verwendung in einer anderen Laufbahn geprüft hat. Das Gericht folgert dies aus der Vorschrift des §§ 23 Abs. 3 S. 2 BeamtStG:

Fehlt einem Bewerber lediglich die gesundheitliche Eignung für eine Ernennung als Beamter auf Lebenszeit, so ist nämlich gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG immer auch die für Zurruhesetzungen von Lebenszeitbeamten geltende Vorschrift des § 26 Abs. 2 BeamtStG entsprechend anzuwenden. In diesem Zusammenhang soll nach § 26 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG bei dienstunfähigen Beamten von der Versetzung in den Ruhestand abgesehen werden, wenn eine anderweitige Verwendung möglich ist. Diese Vorgabe gilt auch für Polizeibeamte, die aus gesundheitlichen Gründen für den Polizeivollzugsdienst nicht mehr geeignet sind (vgl. § 112 Abs. 2 Satz 1 LBG). Auch bei diesen Beamten muss vor einer Versetzung in den Ruhestand stets geprüft werden, ob sie nicht – gegebenenfalls durch einen Laufbahnwechsel – anderweitig verwendet werden können. In gleicher Weise ist daher auch bei Entlassungen von Polizeivollzugsbeamten im Probebeamtenverhältnis ihre anderweitige Verwendung in einer Laufbahn des gehobenen Dienstes außerhalb des Polizeidienstes zu prüfen.“

Ruhegehaltsfähigkeit der Polizeizulage

Die Vorbemerkungen 3 a zu den Bundesbesoldungsordnungen A und B sind durch das Beamtenversorgungsreformgesetz von 1998, das am 01.01.1999 in Kraft getreten ist, gestrichen worden, so dass die Ruhegehaltsfähigkeit der Feuerwehrzulage / Polizeizulage  wegfällt. Die Ruhegehaltsfähigkeit der Feuerwehrzulage ist für die Besoldungsgruppe A 10 und folgende mit dem 01.01.2008 entfallen.

Die Ruhegehaltsfähigkeit der Feuerwehrzulage wird für Besoldungsgruppen A 1 bis

A 9 zum 01.01.2011 entfallen. Dabei richtet sich die Ruhegehaltsfähigkeit der Polizeizulage nicht nach der Besoldungsgruppenzugehörigkeit bei Eintritt in den Ruhestand, sondern nach der Besoldungsgruppenzugehörigkeit am Stichtag 31.12.1998.

Tritt also ein Polizeibeamter, der am 31.12.1998 nach A 10 (oder höher) besoldet wurde, vor dem 31.12.2007 in den Ruhestand, bleibt es bei der Ruhegehaltsfähigkeit

der Polizeizulage. Bei einem Polizeibeamten, der am 31.12.1998 in A9/Z besoldet wurde, bleibt die bereits zu diesem Zeitpunkt gewährte Polizeizulage bei einer Zurruhesetzung bis zum 31.12.2010 ruhegehaltsfähig, unabhängig davon, ob er noch A 11 oder 12 erreicht.

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 25.08.2011 erkannt, dass die Abschaffung der Ruhegehaltsfähigkeit der Polizeizulage verfassungsgemäß sei (2 C 22.10).

Beihilferecht

Beihilfe

Rechtsgrundlage für die im Land Berlin geltenden Beihilfevorschriften ist nunmehr § 76 Landesbeamtengesetz (LBG Bln.), ferner gilt die Landesbeihilfeverordnung (LBhVO) in der Fassung v. 29.11.2016 mit zugehöriger Verwaltungsvorschrift (AV LBhVO). Für die Beamten des Bundes gilt die BBhV, dort näher ausgeführt in der BBhVVwV.

Die Praxisgebühr ist jetzt geregelt § 49 Abs. 4 der Bundesbeihilfeverordnung (BBhV) und § 49 Abs. 2 LBhVO (Berlin). Die Rechtmäßigkeit der Praxisgebühr ist durch durch die Rspr. des BVerwG geklärt.

Ebenfalls neu geregelt sind die Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige  Medikamente bzw. Festbeträge, § 22 Abs. 2 und 3 LBhVO, dazu die Anlagen 5 und 6.

Danach sind nicht beihilfefähig Aufwendungen für

  1. Arzneimittel, die überwiegend der Erhöhung der Lebensqualität dienen (Anlage 5), es sei denn, dass im Einzelfall nicht der in Anlage 5 genannte Zweck, sondern die Behandlung einer anderen Körperfunktionsstörung im Vordergrund steht, die eine Krankheit ist, und

a) es keine anderen zur Behandlung dieser Krankheit zugelassenen Arzneimittel gibt oder

b) die anderen zugelassenen Arzneimittel im Einzelfall unverträglich sind oder sich als nicht wirksam erwiesen haben,

2. Arzneimittel zur Behandlung von

a) Erkältungskrankheiten und grippalen Infekten einschließlich der bei diesen Krankheiten anzuwendenden Schnupfenmittel, Schmerzmittel, hustendämpfenden und hustenlösenden Mittel, sofern es sich um geringfügige Gesundheitsstörungen handelt,

b) Mund- und Rachenerkrankungen, ausgenommen bei

aa) Pilzinfektionen,

bb) Geschwüren in der Mundhöhle oder

cc) nach chirurgischen Eingriffen im Hals-, Nasen- und Ohrenbereich,

c) Verstopfung, ausgenommen zur Behandlung von Erkrankungen im Zusammenhang mit Tumorleiden, Megacolon, Divertikulose, Divertikulitus, Mukoviszidose, neurogener Darmlähmung, vor diagnostischen Eingriffen, bei phosphatbindender Medikation, bei chronischer Niereninsuffizienz, bei der Opiat- sowie Opioidtherapie und in der Terminalphase oder

d) Reisekrankheiten, ausgenommen bei der Anwendung gegen Erbrechen bei Tumortherapie und anderen Erkrankungen, zum Beispiel Menièrescher Symptomkomplex,

soweit die Arzneimittel nicht für Minderjährige bestimmt sind,

  1. hormonelle Mittel zur Empfängnisverhütung; dies gilt nicht bei Personen unter 20 Jahren oder wenn diese Mittel unabhängig von der arzneimittelrechtlichen Zulassung zur Behandlung einer Krankheit verordnet werden.

Dazu Merkblätter des LVerwA.

Festbetragsregelung:

Streitig war früher die Festlegung von beihilferechtlichen Festbeträgen für Medikamente bei Verweisung auf die vom Spitzenverband der (gesetzlichen) Krankenkassen festgelegten Festbeträge.  Das  Bundesverwaltungsgericht hatte die in der Beihilfefverordnung des Landes Berlin bis Januar 2017 geltende Regelung des § 22 Satz 3 LBhVO  als nicht ausreichend erachtet, um die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Arzneimittel wirksam zu begrenzen.

Nunmehr ist diese Regelung  aber im Wege einer dynamischen Verweisung auf die nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 35 SGB V  festgesetzten Festbeträge nach den Vorgaben der Rspr.  verändert und auf der Grundlage einer entsprechenden Verordnungsermächtigung wirksam.

§ 22 Satz 3 LBhVO lautet:

(3) Aufwendungen für Arzneimittel, die nach Anlage 6 den Arzneimittelgruppen, für die ein Festbetrag nach § 35 Absatz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt werden kann, zuzuordnen sind, sind nur bis zur Höhe der Festbeträge nach den Übersichten nach § 35 Absatz 8 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch beihilfefähig.

Ausnahmen davon sind nur im Einzelfall möglich. So hat etwa das VG Neustadt entschieden (Urt. v. 13.12.2017, 3 K 1183/17 NW):

„7 Satz 2 BBhV ermöglicht indes einen Härtefallausgleich auch in den Fällen, in denen der Kernbereich der Fürsorgepflicht – wie hier – zwar nicht betroffen ist (denn der Kläger hat nicht dargelegt, dass er durch die für das Medikament „P…“ geltende Festbetragsregelung in eine zeitlich nicht absehbare Lage geraten würde, die ihn – insoweit dauerhaft – finanziell derart überfordern würde, dass etwa vorhandenes Vermögen kontinuierlich aufgezehrt würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 – 2 C 62/08 –, juris), d. h., wenn im Einzelfall Umstände vorliegen, bei denen es sich aufdrängt, dass der Fürsorgegrundsatz zur ausnahmsweisen Anerkennung der – vollständigen – Beihilfefähigkeit von unter die Festbetragsregelung fallenden Arzneimitteln führt (BVerwG, Urteil vom 26. März 2015 – 5 C 9.14 –; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. April 2011 – 10 A 11331/10 –; VG Augsburg, Urteil vom 31. März 2016 – Au 2 K 15.1778 –; alle juris). Aufgrund ungewöhnlicher Individualverhältnisse ist insbesondere dann keine ausreichende Versorgung zum Festbetrag möglich, wenn die zum Festbetrag erhältlichen Arzneimittel unerwünschte Nebenwirkungen verursachen, die über bloße Unannehmlichkeiten oder Befindlichkeitsstörungen hinausgehen und damit die Qualität einer behandlungsbedürftigen Krankheit erreichen (vgl.: BSG, Urteil vom 3. Dezember 2012 – B1 KR 22/11 R –; VG Augsburg, Urteil vom 26. August 2015 – Au 2 K 14.1573 –; VG Augsburg, Urteil vom 31. März 2016 – Au 2 K 15.1778 –; alle juris).“

Eine entsprechende Regelung enthält für das Land Berlin § 7 LBhVO Berlin.

Das OVG NRW hat mit Urteil v. 11.07.2011 (1 A 498/09, juris) den Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Medikamente als zulässig erachtet.

Auch für physiotherapeutische Behandlung sieht die LBhVO Höchstbeträge vor, § 23 Abs. 1 und Anlage 4, dazu auch Rd-Schr. SenInn Sport I Nr. 60 / 2004 v 4.11.2004.

Mehrarbeitsausgleich

Neues Urteil Urteil des Europäischen Gerichtshofes v. 25.11.2010 , C-429/09

Die sog. Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 4.11.2003 verpflichtet die Mitgliedstaaten, sicher zu stellen, dass die durchschnittliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer pro Sieben-Tages-Zeitraum 48 Stunden einschließlich der Überstunden nicht überschreitet (Art. 6 Buchstabe b)). Zur Arbeitszeit zählen dabei auch Bereitschaftsdienste. Die 48-Stunden-Grenze gilt daher auch für Bereitschaftsdienstzeiten, sowohl von Arbeitnehmern als auch von Beamten. Insbesondere sind hier Feuerwehr- und Polizeibeamte betroffen. Abweichungen sind nur in engen Grenzen zulässig.

Gegen diese Vorgaben wurde in der Vergangenheit vielfach verstoßen. Die genannten Beamten wurden dauerhaft zu europarechtswidrigen Dienstzeiten herangezogen, für die ein Ausgleich Vielfach nicht gewährt wurde. 

Der EuGH hat nun entschieden, dass die betroffenen Beamten einen direkten europarechtlichen Anspruch auf einen „äquivalenten“ Ausgleich rechtswidrig geleisteter Mehrarbeit haben. Der Anspruch besteht unabhängig von einem Verschulden des Dienstherrn und es bedarf auch keines vorhergehenden Antrags des Beamten auf Freizeitausgleich. Die betroffenen haben Anspruch auf „angemessenen“ Schadensersatz. Er kann in Form von Freizeitausgleich oder als finanzielle Entschädigung geleistet werden.